Zuhause nach Maß
Die Seniorenwohnanlage „Am See“ in Fockbek bietet eine breite Palette von Services und Leistungen rund um das Leben im Alter. An einem Ort finden hier sowohl aktive als auch pflegebedürftige Senioren ein sicheres und komfortables Zuhause. Dazu tragen neben variablen Betreuungsangeboten und zahlreichen Freizeitmöglichkeiten vor allem engagierte Pflege- und Betreuungskräfte bei, die über ein feines Gespür für die Bedürfnisse der Senioren verfügen. „Früher habe ich viel gemalt. Heute machen meine Hände das nicht mehr mit.“ Margit Büchner blickt kurz auf ihre Fingerspitzen, die sanft auf der Handsteuerung ihres elektrischen Rollstuhls ruhen. Ihr Einzelzimmer im Pflegehaus „Seeblick“ ist hell und wohnlich eingerichtet. Die Wände sind dicht behängt mit eigenen Werken: Landschaftsaquarelle mit sattgrünen Wiesen und farbenprächtigen Blumen, mit düster dräuenden Wolkenbergen und immer wieder mit weiten Blicken übers Wasser.
Seit sechs Jahren lebt die 74-Jährige in der Seniorenwohnanlage „Am See“ in Fockbek. Zu der gehören neben dem Pflegehaus auch Servicewohnungen, eine Tagespflegeeinrichtung und ein Ambulanter Pflegedienst. Darüber hinaus gibt es unter anderem ein Restaurant, ein Café und seit Neuestem sogar eine kleine Nähstube. Alles öffentliche Angebote, die nicht nur den Bewohnerinnen und Bewohnern der Einrichtung, sondern allen Menschen in und um Fockbek zur Verfügung stehen. Das alles ist in einem Ensemble roter Backsteingebäude in direkter Nachbarschaft zum Fockbeker See untergebracht.
So malerisch, wie es klingt, ist es auch. Beim Gang über das Gelände hat man den Eindruck, durch eine beschauliche Kleinstadtsiedlung zu schlendern: gepflegte Rasenflächen und bunte Blumenbeete, verschnörkelte Wege und ständig Menschen, die sich voller Freude herzlich begrüßen. Man winkt von Balkonen, umarmt sich vor dem Eingang zum Café oder schlendert untergehakt in Richtung See. Den Fokus auf Senioren erahnt man lediglich anhand liebevoller Details: fest installierten Senioren-Sportgeräten auf dem penibel gestutzten Grün oder Rollatoren in passgenauen Parkbuchten vor der einen oder anderen Eingangstür.
Margit Büchner braucht keinen Parkplatz, sondern kann mit ihrem elektrischen Rollstuhl direkt bis in ihr Zimmer fahren, das abgesehen vom Linoleumboden und dem Pflegebett mit Blick auf die breite Fensterfront wie eine ganz normale Einzimmerwohnung wirkt: Auf einem Sideboard stehen Fernseher und Stereoanlage, dazwischen kleine Blumentöpfe, eine klassische Lampe mit weißem Glasschirm und eine Vase mit Duftstäbchen. Wahrscheinlich Vanille. Die Multiple Sklerose macht Margit Büchner heute zu schaffen. „Es geht eben mal besser und mal schlechter“, sagt sie achselzuckend und nickt in Richtung Schreibtisch. „Ich versuche gerade, ein bisschen was am Laptop zu machen, aber das klappt nicht immer.“
An manchen Tagen erlaubt ihr die Krankheit nur noch den Blick auf den Fernseher. „Davon habe ich schon viereckige Augen“, sagt sie mit schmalem Lächeln. Die resolut wirkende Frau strahlt nicht nur viel positive Energie aus, sondern verfügt auch noch über ausreichend Antrieb, um sich als Vorsitzende des Bewohnerbeirats für die Interessen ihrer Mitbewohnerinnen und Mitbewohner einzusetzen – gegenüber den Pflegekräften, der Einrichtungsleitung und insbesondere gegenüber der Küchenchefin. Denn wie fast überall scheiden sich auch hier vor allem am Essen die Geister. Mal ist dem einen die Suppe zu dick, mal dem anderen der Kaffee zu dünn und mal der Aufschnitt beim Frühstück nicht der richtige. „Die Geschmäcker sind eben verschieden“, sagt Margit Büchner. „Ich hätte zum Beispiel morgens gerne eine größere Käseauswahl.“ Deshalb besorgt sie sich ihre favorisierten Käsesorten auf eigene Faust. Die Einrichtung organisiert zwar wöchentliche Fahrten zum gemeinsamen Einkaufen in den örtlichen Supermarkt und stellt dafür auch Busse bereit, aber diese Ausflüge macht Margit Büchner schon länger nicht mehr mit. „Ich lasse lieber einkaufen“, sagt sie verschmitzt.
Ein paar Häuser weiter kauft man nicht nur selbst ein, man kocht und backt sogar. Mitten am Vormittag herrscht im Bereich der Tagespflege „Am See“ Hochbetrieb. Das flache rote Backsteingebäude ist täglich von 8.00 bis 16.30 Uhr für Bewohner der Seniorenwohnanlage und für Gäste mit Pflegebedarf aus Fockbek und den Umlandgemeinden geöffnet. Schon im Vorraum duftet es nach Kuchen, in der offenen Küche röchelt die Kaffeemaschine und an L-förmig angeordneten Tischen spielen rund ein Dutzend Senioren konzentriert Stadt-Land-Fluss. „Hier vorne sitzt unser Bäcker“, zeigt Pflegedienstleiterin Jasmin Seemann lächelnd auf einen Herrn mit Hosenträgern, der angestrengt über einem Blatt Papier mit einigen leeren Spalten grübelt. Der gelernte Koch backt ab und zu einen Kuchen in der Tagespflege. Heute: Apfel.
„Kennt jemand einen Baum mit ,M‘?“, ruft eine Dame fragend in die Runde und erntet prompt ein „Mandelbaum“ aus der gegenüberliegenden Ecke. An den Tischkanten kleben kleine Namensschilder. Herr Müller: Montag – Mittwoch – Freitag. „Ein Großteil unserer Gäste ist dement und besucht uns nur an ausgewählten Tagen“, sagt Jasmin Seemann. Damit trotzdem jeder seinen angestammten Platz behalten kann, sind die Tische gekennzeichnet. Kontinuität und eine verlässliche Umgebung sorgen für die notwendige Struktur in einer verblassenden Welt. „Wir bieten einen festen Rahmen, innerhalb dessen wir die Tage ganz nach den speziellen Bedürfnissen unserer Tagesgäste sehr abwechslungsreich gestalten“, sagt die Pflegedienstleiterin. Neben unterschiedlichen Gruppenangeboten gehören dazu auch individuelle Einzeltherapien.
„Wir achten bei jedem einzelnen unserer Gäste sehr genau darauf, was ihr oder ihm gut tut“, erklärt die gelernte Krankenschwester und hat auch gleich ein Beispiel parat: „Wir hatten mal eine Dame als Tagesgast, die sich bei uns zunächst gar nicht wohlfühlte. Sie klagte ständig über Schmerzen, fragte immer wieder nach ihrem Mann und wollte am liebsten sofort wieder nach Hause. Aus Vorgesprächen mit ihren Angehörigen wusste ich, dass sie vor einigen Jahren als Bürokraft gearbeitet hatte. Also habe ich sie gefragt, ob sie mir bei der Abschrift eines Textes und beim Sortieren von Akten helfen wolle.“ Die Dame wollte und ist bei dieser Beschäftigung regelrecht aufgeblüht. Von Schmerzen und Heimweh war anschließend keine Rede mehr.
„Das ist natürlich nur ein einzelnes Beispiel, aus dem man kein allgemeingültiges Patentrezept ableiten kann“, betont Jasmin Seemann. „Jeder Mensch ist anders und jeder Tag ist anders. Unsere Aufgabe ist es, immer wieder herauszufinden, was unsere Gäste in der jeweiligen Situation brauchen und was wir für sie tun können.“ Dazu gehört es auch, den Menschen außergewöhnliche Erlebnisse zu ermöglichen – wie einen Ausflug zum Demenzbauernhof „Wilde Wiesen“ in Böhnhusen im Kreis Rendsburg-Eckernförde. Dort hatten im Herbst 2018 insgesamt 17 an Demenz erkrankte Seniorinnen und Senioren der Tagespflege „Am See“ die Möglichkeit, zahlreiche Tiere nicht nur zu beobachten, sondern auch körperlich zu spüren – von sanften Berührungen bei Gallowayrindern, Pferden und Hühnern bis zum ausgiebigen Streicheln von Hunden und Katzen.
„Der direkte Kontakt zu den Tieren hat unsere Tagesgäste spürbar aufblühen lassen“, erinnert sich Jasmin Seemann, die für die Organisation der Veranstaltung verantwortlich war. „Es war ein Tag voller Freude, Lachen und Herzlichkeit. Und es war auch für uns ein tolles Erlebnis, unsere Tagesgäste dabei zu begleiten und zu unterstützen.“ Der Ausflug hatte im Rahmen des Projekts „Bauernhöfe für Menschen mit Demenz“ stattgefunden, einer gemeinsamen Unternehmung des schleswig-holsteinischen Landesverbands der Alzheimer Gesellschaft und der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein.
Auch moderne Technologie kommt zum Wohle der Bewohner zum Einsatz. „Ganz aktuell haben wir für unsere Tagesgäste mit Demenz eine Tovertafel angeschafft“, sagt Jasmin Seemann. „Das Gerät eröffnet einen spielerischen Weg, Menschen im fortgeschrittenen Stadium von Demenz zu Bewegung und Interaktion anzuregen.“ Dabei funktioniert die Tovertafel wie eine Art intelligenter Beamer, der an der Decke angebracht wird und Spiele auf eine glatte Fläche projiziert – ein herkömmlicher Tisch genügt. Die Projektionen sind interaktiv, reagieren auf Hand- und Armbewegungen der Mitspieler und werden durch Soundeffekte unterstützt. Gespielt werden kann selbstständig oder unter Anleitung.
Ganz unabhängig von Tagespflege und Demenz ist die Aktivierung der Senioren ein zentraler Aspekt in der Fockbeker Einrichtung. Pflege- und Betreuungskräfte arbeiten immer wieder daran, attraktive Angebote zu machen und eventuelle Hemmungen gegenüber neuen Erfahrungen abzubauen. „Die meisten brauchen lediglich einen winzigen Schubs“, sagt Jasmin Seemann. Denn Gründe, lieber in den gewohnten vier Wänden zu bleiben, finden sich im Zweifel viele: Sei es, dass die Senioren sich Sorgen machen, ob ein Ausflugsziel barrierefrei mit dem Rollator zu erreichen ist, oder daran zweifeln, dass vor Ort ausreichend sanitäre Anlagen vorhanden sind.
Mit gewissenhafter Organisation und einem guten Schuss Motivationskunst sind die Zweifel meist schnell zerstreut. Das verlockende Veranstaltungsangebot tut sein Übriges: Es werden regelmäßig Tagesausflüge organisiert – zum Beispiel nach Friedrichstadt oder zur Krokusblüte nach Husum. Darüber hinaus bietet die örtliche Volkshochschule im Rahmen einer Kooperation unter anderem Kurse rund um Sport, Musik oder Gedächtnistraining. Auch Geselligkeit wird großgeschrieben und die regelmäßigen Feste sorgen immer für große Vorfreude und Begeisterung. Vom Sommer- bis zum Oktoberfest und vom Karneval bis zur Friesenolympiade – für jeden Geschmack ist etwas dabei. Während des Karnevals ist Jasmin Seemann sogar gemeinsam mit den Gästen der Tagespflege närrisch ausstaffiert und Kamelle werfend durch die gesamte Wohnanlage gezogen. „Eigentlich“, lacht sie, „haben wir hier immer was zu feiern.“