Queeres Leben in der Tide
Queer zu sein, was bedeutet das eigentlich ganz genau? Mit welchen Problemen haben es queere Menschen zu tun – und wie können wir als sozialpsychiatrische Einrichtung damit umgehen? Diese und ähnliche Fragen hat sich das Team der Tide gestellt. Und wollte Antworten.
Die Tide Sozialpsychiatrie hat ihren Sitz im Alten Rathaus in Büdelsdorf. Sie betreut Menschen mit psychischen Erkrankungen im Kreis Rendsburg-Eckernförde und in Kiel. Ein respektvoller Umgang auf Augenhöhe und das Ernstnehmen von Empowerment und Inklusion sind dem Tide-Team besonders wichtig. „Als Einrichtung der Diakonie begleiten wir Menschen mit einem breiten Spektrum an Diagnosen wie etwa Depressionen, schizophrenen oder Abhängigkeitserkrankungen in ihrer Lebensführung”, so Tide-Leiter Dr. Joachim Laudien.
Je nachdem, wie viel Halt die Menschen, die die Angebote der Tide nutzen, benötigen, leben sie in einer ihrer Wohneinrichtungen oder werden in den eigenen vier Wänden betreut.
Begleitet von der Fachhochschule Kiel haben Laudien und sein Team ein Projekt ins Leben gerufen: Queeres Leben in der Tide – Geschlechtliche und sexuelle Vielfalt. Gefördert wird das Projekt von der Wolfsteller-Feddersen-Stiftung.
Als „queer“ bezeichnen sich zum Beispiel Menschen, die nicht heterosexuell sind oder die sich nicht mit ihrem biologischen Geschlecht identifizieren.
Das Projekt richtet sich an alle 150 Mitarbeitenden der Tide an insgesamt 16 Standorten. Sie sollen in verschiedenen Fortbildungen geschult werden, die Prof. Dr. Melanie Groß von der FH Kiel durchführt. Sie ist auch für die wissenschaftliche Begleitung zuständig; so gab es bisher zum Beispiel Interviews mit queeren Menschen, die von der Tide betreut werden. Diese wurden unter anderem dazu befragt, wie sie die Betreuung wahrnehmen und ob und wo es Schwierigkeiten gibt.
Zur Reflexion und Beratung stehen unter anderem die Geschäftsstelle Echte Vielfalt, die Stadt Kiel sowie Nicole Schenk, Geschäftsführerin Kinder- und Jugendhilfe, Kindertagesstätten und Sozialpsychiatrie zur Seite.
„Wir wollen herausfinden, wo wir in unserer Arbeit etwas besser machen können”, so Projektleiterin Ronja Stephenson. „Darum geht es uns: Wie fühlen sich queere Menschen gerade bei uns, und damit meinen wir sowohl Personen, die Unterstützung erhalten als auch Menschen, die bei der Tide arbeiten. Und was braucht es, damit alle sich wohlfühlen und gesehen werden?“
Geplant ist eine Online-Befragung unter den Mitarbeitenden. Des Weiteren sollen alle Dokumente überprüft und bei Bedarf angepasst werden und auch die Homepage wird überarbeitet. „Wir wollen nach außen zeigen, dass wir alle Menschen ansprechen und dass wir uns mit dem Thema beschäftigen“, so Ronja Stephenson. „Und nach innen wollen wir es leben.”
In allen Büros hängen kleine Regenbogenflaggen und vor der Verwaltung außen eine große am Fahnenmast, außerdem sind Info-Flyer für alle Standorte bestellt.
Am Ende des auf drei Jahre angelegten Projektes wird Prof. Dr. Groß dann weiterführende Handlungsempfehlungen für die Tide ableiten.
„Wir beschäftigen uns jeden Tag mit Diskriminierung und dem gesellschaftlichen Ausschluss von Menschen mit psychischen Erkrankungen. Deswegen ist es Teil unserer Arbeit, uns auch mit Diskriminierung aufgrund von sexueller Identität auseinanderzusetzen, die ja psychische Belastung oft bedingt“, erzählt Sozialpädagogin Ronja Stephenson. „Bei der Tide nehmen wir Menschen so wahr, wie sie sind. Und wir akzeptieren sie, wie sie sind. Und dafür müssen wir uns ständig fortbilden und uns für die vielfältigen Lebenssituationen sensibilisieren.“
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Mit dem Projekt „Queeres Leben in der Tide“ wollen Ronja Stephenson (Projektleitung, dritte von links), Rainer Spindler-Jünke (Bereichsleitung, links), Beke Meesenburg (Qualitätskoordination) und Dr. Joachim Laudien (Einrichtungsleitung) das ganze Tide-Team für das Thema sensibilisieren.